Vor 4 Jahren und 7 Monaten
wurde in Bilbo nach einem Europa-Fußballspiel ein Athletic-Fan von der Polizei getötet,
mit einem aus kurzer Distanz abgeschossenen Gummigeschoss. Nun ist zu
befürchten, dass das in der Folge eröffnete Verfahren gegen die potentiellen Schützen
nun eingestellt wird. Frist ist der 6. Dezember, deshalb fand am vergangenen
Freitag (1.12.2016) eine Demonstration statt, an der sich mehr als 500 Personen
beteiligten.
Demonstration für ein korrektes Verfahren wegen des Polizeimordes an Iñigo Cabacas (Foto Archiv Txeng) |
Die Demo begann an jenem Ort,
an dem Iñigo Cabacas getötet wurde, in einer Sackgasse vor einer linken Bar,
die die baskische Polizei schon lange im Visier hatte. Sie endete vor dem
obersten baskischen Gericht, wo die Entscheidungen getroffen wurden und werden.
An der Spitze der Demo gingen die Eltern des Toten, die die Hoffnung nicht
aufgegeben haben, dass der Tod ihres Sohnes zumindest juristisch aufgearbeitet
wird.
Danach sieht es nicht aus,
danach sah es von Anfang an nicht aus. Denn der Vorfall war derart gravierend,
unsinnig und brutal, dass die baskische Politik von Beginn an keinerlei
Interesse hatte, die Wahrheit ans Licht zu holen, weil dies dem „Ansehen“ der
baskischen Polizei (den Schlägertrupps der Ertzaintza) Schaden zugefügt hätte.
Von Beginn an wurde
verschleiert, gelogen, Fakten wurden dem Gericht vorenthalten. Es war der
Presse überlassen, vor zwei Jahren überhaupt wieder Bewegung in den
festgefahrenen Fall zu bringen, indem bis dahin unbekannte Polizei-Funksprüche
publiziert wurden. Zwischendurch hatte der damalige sozialdemokratische
Innen-Senator (ein Basken- und Linken Hasser) sogar versucht, mit einem „Schweigegeld“
an die Eltern deren juristischen Rückzug zu erkaufen.
Gedenken am Ort in Bilbao, an den die baskische Polizei Iñigo Cabacas tötete (Foto Archiv Txeng) |
Was war passiert? Tausende
von Fans hatten das Spiel Bilbao gegen Schalke am 5.April 2012 durch das
Schaufenster einer linken Kneipe auf der Straße angeschaut, in einer Sackgasse,
die nur einen Ausgang hatte. Es kam zu einer Auseinandersetzung (an der keine
deutschen Fans beteiligt waren), die Ertzaintza rückte an. Vermutlich wurde
eine Flasche Richtung Polizei geworfen, danach beruhigte sich die Lage. Der
Einsatzleiter (im Büro) befahl den Kräften vor Ort „mit allem verfügbaren Gerät
in die Sackgasse beim Herriko reinzugehen“ – Herriko ist die besagte linke
Kneipe. Die Polizisten auf der Straße betrachteten dies als nicht notwendig,
weil sie sahen, dass sich alles weitegehend beruhigt hatte. Der Chef, in
Unkenntnis der konkreten Situation vor Ort, sah jedoch eine Gelegenheit, gegen
die linken Fans vorzugehen und erneuerte seinen Befehl energisch. In der direkten
Folge kam es zu Schüssen mit Gummikugeln, in absolut illegaler Form: direkt auf
anwesende Personen gerichtet und ohne den gesetzlich vorgeschriebenen
Sicherheitsabstand einzuhalten. Iñigo Cabacas wurde der Schädel förmlich zertrümmert,
er starb vier Tage später ohne aus dem Koma erwacht zu sein.
Es folgten Dutzende
Mobilisierungen, an denen bis heute eine große Anzahl von Gruppen und Personen
beteiligt sind, Freund/innen des Toten, soziale Bewegungen, Parteien und viele
Athletic-Fans, insbesondere die Ultras von Athletic (zu denen Iñigo nicht
gehörte).
Zehn anonyme Polizisten stehen
im Verdacht, den oder die Schüsse abgefeuert zu haben, drei gaben dies zu.
Dennoch sah vor zwei Jahren alles nach Verfahrens-Einstellung aus, als in den Medien
plötzlich Mitschnitte aus dem Polizeifunk der Todesnacht auftauchten, an deren
Echtheit kein Zweifel bestand, die eindeutig zeigten, dass der Einsatz absurd
und unnötig war und dass es sich allein um eine Vergeltungsaktion gegen die
Herriko-Kneipe gehandelt hatte. Das Gericht beugte sich jedoch dem politischen
Druck und bezog den Einsatzleiter bis heute nicht mit ins Verfahren ein. Im
Gegenteil, mittlerweile wurde der von der neuen christdemokratischen Regierung der
PNV befördert.
Die Anwältinnen der Eltern
haben neue Beweisanträge gestellt, die abgewiesen werden könnten, wenn das
Verfahren eingestellt wird. Dass dieselbe baskische Regierung Iñigo Cabacas als
Opfer von Polizeigewalt eingestuft hat, wurde in Polizeikreisen zwar mit großem
Gezeter kommentiert, ein Trost ist es auf keinen Fall und auch kein Ersatz für
eine juristische Aufarbeitung. Es zeigt nur, dass mit billigen Goodwill-Gesten
verhindert werden soll, ans Eingemachte zu gehen. Der Leader der baskischen
Linken, Arnaldo Otegi, machte vor wenigen Tagen deutlich, dass es für einen umfassenden
Friedensprozess notwendig ist, auch über die von der baskischen Polizei
Getöteten zu sprechen, nachdem bereits eingestanden worden war, dass nicht nur
die spanische Polizei-Corps (Nacional und Guardia Civil), sondern auch die
Ertzaintza gefoltert hatte.
Die Bewegung „Gerechtigkeit
für Iñigo Cabacas“ ist so oder so noch lange nicht am Ende. Auch nicht der
Kampf gegen Gummigeschosse, die zuerst aus dem Verkehr gezogen werden sollten
und dann doch wieder zum Einsatz kamen. Nicht gegen Jihadisten, sondern gegen
legitimen Protest oder bei Streiks. (Redaktion Baskinfo)